Heimatverein Kohlscheid 1932 e.V.
Heimatverein Kohlscheid 1932 e.V.
Kohlscheider Geschichte bewahren – Heimat erleben

Wirtschaftsentwicklung in Kohlscheid

Ein Bericht von Hannah Westermann

Im Laufe von 400 Jahren wurde durch die Kohleindustrie aus einem Jahrtausende alten Siedlungsgebiet ein Ort mit eigenem Bürgermeister und florierendem Wirtschaftszentrum. Und wie das ganze? Durch die Kohle! Von der Steinzeit… Archäologische Funde, die hin und wieder in unserer Region entdeckt wurden bzw. werden deuten darauf hin, dass das Gebiet nördlich der Eifel schon in der Altsteinzeit (von vor ca. 2,5 Millionenjahren bis 10.000 v. Chr.) besiedelt wurde. Andere Funde ließen sich als mittelsteinzeitlich (von ca. 8000 bis 3000 v. Chr.) identifizieren. Vermutlich lebten also seit der Steinzeit stetig, oder immer wieder Menschen im heutigen Kohlscheid.

Mit dem Jahr 867 begannen die ersten Aufzeichnungen über die Region nördlich von Aachen, zu der neben dem heutigen Kohlscheid beispielsweise auch das heutige Bardenberg (damals Bardunbach), Laurensberg, Horbach und Würselen gehört.

Die gesamte Region hatte die Maas als Westliche Grenze. Die hier angesiedelten Höfe und Güter lassen sich häufig, als die heutigen Orte und Dörfer erkennen, bis hin zur Neuzeit.

Vor in diesem Jahr 500 Jahren - also 1524 - wurde die heutige Ortsmitte Kohlscheids das erste Mal urkundlich erwähnt. In diesem Zusammenhang, fällt auch zum ersten Mal der Name Scheidt bzw. Scheet, was allerdings nicht etwa Schacht heißt und für eine Grube stehen könnte, sondern so etwas wie Bergriegel bedeutet und die bebaute Erhöhung zwischen dem Amstelbachtal und dem Wurmtal meinen kann.

Dieses Gebiet fiel dennoch noch immer unter die Herrschaft von Heyden, ausgehend vom noch heute erhaltenen Haus Heyden am Amstelbach im Wald zwischen Pannesheide und Horbach. Wie Herr E. Hallmann berichtet, hat sich dieser „Bergriegel“ aber durch den Kohleabbau stark verändert, da die Halden meistens direkt neben den Gruben aufgeschüttet wurden, wodurch sich das Landschaftsbild stark veränderte. Herr Hallmann erzählt weiter, dass die Halden, zumindest teilweise bebaut wurden.

Da diese Erde auch unter der Bebauung noch häufig brannte, „wurde das Gemüse in diesen Gärten häufig schon früher reif.“

Das Ledigenheim nach seiner Fertigstellung im Jahre 1925. Da auf den Halden neben Schutt auch unreine Kohle gelagert wurde, nannte bzw. nennt man den aufgeschütteten Bereich an der Grube Langenberg um die Grube Kullepley, also Kohlenplatz.

In Kohlscheid allein gab es 12 Gruben, dessen ertragreichste die Grube Lauerweg war. Sie war es, die von 1880 bis 1910 den endgültigen wirtschaftlichen Aufschwung und am meisten Ertrag brachte. Die Grube Langenberg hingegen, die das Kohlscheider Leben durch ihre Nähe zum Ortszentrum mit am stärksten prägte, war es, die schon seit Inbetriebnahme durch regelmäßige Wasserschäden wirtschaftlich nicht sehr hilfreich war.

Insgesamt prägten die Gruben Kohlscheid stark und machten sie zu „eine[r] dreckige Industriestadt“, so waren die Gruben „Laut“, man hörte die Schichtsignale im ganzen Ort und „bei Wind wehte der Kohlenstaub von der Halde in Wilsberg“, wie Herr H. Maas berichtet. Dennoch lockten alle Gruben viele Gastarbeiter, wie Herrn Blaumeiser Senior (aus dem Saarland; *in den 1890er Jahren) aus allen Teilen Deutschlands an, von dem Herr V. Westermann zu berichten weiß, dass sich die damals moderne Grubentechnik und gute Bezahlung bis ins Saarländische rumgesprochen hatte. Die meisten Gastarbeiter kamen nach dem 1. Weltkrieg nach Kohlscheid, wo sie häufig in der ehemaligen Grube Langenberg, die 1913 geschlossen wurde, in einem Ledigenheim untergebracht wurden. Herr Hallmann und Herr Westermann berichten gleichermaßen, dass die starke Zuwanderung von besonders jungen, alleinstehenden Bergleuten, die darüber hinaus noch gut verdienten, auch für einen starken wirtschaftlichen Aufschwung in der Gastronomie, im Lebensmittelhandel, im Handwerk und bis hin zum Bauhandwerk sorgten.

Westkauf auf dem Gelände der ehemalige Grube Langenberg (nach Schließung Westkauf)

Allein beim Eschweiler Bergwerksverein, waren zu Spitzenzeiten 15000 Bergleute beschäftigt, die eine Bevölkerung von etwa 100000 Einwohnern in der gesamten Region mit sich brachten.

Die damit benötigte Infrastruktur brachte der gesamten Region Wohlstand. Dieser Wohlstand lässt sich noch heute in Kohlscheid spüren. „Wenn man sich in der Weststraße die Häuser anschaut, merkt man schnell, dass da reiche Leute wohnten. Vor allem Ärzte waren dort angesiedelt. Durch ihre Nähe zur Grube Laurweg, waren sie bei Bergwerks-Krankheiten und -Verletzungen schnell erreichbar.“, berichtet Herr Hallmann. „Laut Aussage von Herrn Blaumeiser, habe es zu seiner aktiven Zeit, aber keine größeren Bergwerksunfälle gegeben.“ erzählt Herr Westermann. Da die „reichen Kohlscheider“ 1909 endgültig nicht mehr zu den Pannesheidern und der Herrschaft von Heyden gehören wollten, entsteht ein unabhängiges Kohlscheid, erklärt Herr Hallmann. So tagte am 26.01.1909 erstmal, der Gemeinderat im „Gemeinderatsaal“ des neuen Rathauses.

In allein 100 Jahren wuchs die Fördermenge des EBVs von 300000 Tonnen, auf 5 Millionen Tonnen Kohle. Durch die zunehmende Ausbeutung der Gruben sank allerdings die Wirtschaftlichkeit der Gruben, wodurch nach und nach alle Gruben geschlossen wurden. 

Die letzte geschlossene Grube war die Grube Lauerweg 1960. Doch seitdem liegen die alten Grubenflächen nicht einfach brach, sondern dienen als neue Wirtschaftszentren. So wurde im Gebäude des alten Ledigenheims der Grube Langenberg vom EBV der Westkauf eingerichtet. Herr Hallmann berichtet, der Westkauf, sei der erste Supermarkt gewesen, den man in Kohlscheid überhaupt kannte, sonst gab es ja nur den Aldi als Discounter. 

Nach dem Abriss des ursprünglichen Ledigenheims, wurde dort, teilweise auch auf der Halde der ehemalige Grube Langenberg die Markttangente mit der offiziellen Bezeichnung „Op d‘r Scheet“ gebaut, die den Kohlscheider Markt vom Durchfahrtsverkehr befreit. 

Auf dem ehemaligen Gelände der Grube Laurweg, ließ die Stadt Herzogenrath den Technologiepark Herzogenrath - TPH - erstellen, dass jungen Unternehmen und Startups Nährboden bieten soll bzw. bietet. So wurden hier heute weltweit agierende Unternehmen, wie Aixtron oder Cleanlaser gegründet und konnten erfolgreich expandieren. Das TPH war bzw. ist so erfolgreich, dass jetzt der Bau von „TPH 4“ geplant ist. „Die ganze Entwicklung zeigt deutlich, wie wir, wie die Gesellschaft mit der Veränderung gelebt hat und durch die Veränderung lebt. 

Wir haben damit Angefangen, uns die Industrie vor die Haustür zu holen und genau das hat uns dahin gebracht, dass wir jetzt dort Umgehungsstraßen bauen können, wo früher geschuftet wurde und Staub und Lärm das Leben beeinflussten. Lasst uns also nicht daran arbeiten, Auflagen zu schaffen, die uns Steine in den Weg legen, sonderen miteinander reden, das Wissen, die Erfahrung und die daraus resultierenden Lehren auszutauschen um weiter Fortschritt und Entwicklung zu schaffen, damit auch in 100 und 200 Jahren noch ähnliche Texte über Erfolg und Fortschritt in Kohlscheid geschrieben werden können, über die Zeit in der Wir leben und lebten, sage ich, Hannah Westermann.