Die Entwicklung des Schulwesens in Kohlscheid
Von den Anfängen im Spätmittelalter bis zur modernen Schulstruktur
Das Schulwesen in Kohlscheid hat eine lange und wechselvolle Geschichte, die tief in die Vergangenheit des Spätmittelalters zurückreicht. Die Entwicklung von den bescheidenen Anfängen der Dorfschulen bis hin zur modernen Bildungsstruktur spiegelt die Veränderung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wider. Dieser Text bietet einen Überblick über die wichtigsten Stationen der schulischen Entwicklung in Kohlscheid und beleuchtet die Herausforderungen und Errungenschaften der Bildungsgeschichte des Ortes.
Über das Schulwesen im Spätmittelalter ist allgemein wenig bekannt. So auch über dessen Ursprünge im Heydener Ländchen. Daher kann nur vermutet werden, dass sich die seit dem 17. Jahrhundert angestrebte Schulbildung des gesamten Volkes auch in Scheid durchsetzte. Nach Vorbild der monarchischen Regierungen Preußens wurden Dorfschulen gegründet und der „Schulzwang“ eingeführt. Diese Schulpflicht wurde aus nachvollziehbaren Gründen oft nicht erfüllt, da die Kinder schon in sehr jungen Jahren zu vielfältigen Arbeiten in der Familie, auf dem Hof oder in der Werkstatt des Vaters, aber auch zu gewerblicher Arbeit etwa in Bergwerken herangezogen wurden. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Kinderarbeit für unter Neunjährige verboten; zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgte das Verbot gewerblicher Kinderarbeit. Wenn überhaupt besuchten die Kinder nur sonntags nach der Heiligen Messe oder im Winter die Schule. Oft überstieg das zu entrichtende Schulgeld die wirtschaftlichen Verhältnisse vieler Familien, so dass Bedürftigen schon Mitte des 18. Jahrhunderts das Schulgeld erlassen wurde.
Dorfschulen waren zunächst oft nur wenig geeignete private Räume oder Wirtshaussäle, in denen der Unterricht von kaum qualifizierten Lehrern erteilt wurde. In Kohlscheid werden 1826 ein Schulhaus an der Oststraße und 1847 eine an der Oststraße gelegene vierklassige Mädchenschule erwähnt. Zur selben Zeit wurden Klinkheider Kinder in einer Gaststätte angemieteten Schulraum unterrichtet. Dort wird bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein erster Lehrer erwähnt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurden im Raum Kohlscheid zahlreiche Gebäude für Volksschulen errichtet. Die Bezeichnungen richteten sich nach dem jeweiligen Standort: Kohlscheid-Mitte, Schule Weststraße, Klinkheide, Schule Oststraße, Vorscheid (Kircheichstraße), Bank, Pannesheide, Berensberg, Rumpen.
Ab 1919 wurde der Besuch der Volksschule für die ersten vier Schuljahre – von da an als Grundschule bezeichnet – für alle Kinder zur Pflicht. Die Schulstrukturreform von 1968 vollzog diese Trennung auch räumlich: Die Volksschule wurde zu Grund- und Hauptschule. Das hatte zur Folge, dass zu Beginn der 1970er Jahre der Neubau der Hauptschule an der Kircheichstraße erfolgte. Die ortsnahe Beschulung in den kleinen Volksschulen fand damit endgültig ihr Ende. 2011 wurde mit dem Beschluss, in Kohlscheid eine Gesamtschule zu errichten, das Aus für die Hauptschule und die Realschule (1968 - 2017) eingeläutet. Im selben Jahr verschwand der Begriff „Volksschule“ aus der Landesverfassung NRW. Seitdem ist eine ortsnahe Beschulung im dreigliedrigen Schulsystem – Volksschule (Grund- und Hauptschule), Realschule, Gymnasium – für Kohlscheider Schüler nicht mehr möglich.
Über die Qualifikation und Auswahl der ersten Kohlscheider Lehrer in den Anfängen ist nichts bekannt. Üblicherweise stellte der Bewerber seine Eignung zum Lehrer vor einer Kommission unter Vorsitz des Pfarrers vor: Dort musste er seine Kenntnisse in Schreiben, Rechnen, Lesen und vor allem im Katechismus unter Beweis stellen und ein Kirchenlied vorsingen. Häufig bekleidete der Lehrer auch das Küsteramt, oft auch das des Organisten.
Im 18. Jahrhundert wurden erste Lehrerausbildungsstätten eingerichtet; ab dem 19. Jahrhundert wurden Volksschullehrer in Präparandenanstalten und Lehrerseminaren ausgebildet. Bis dahin oblag die Einstellung des Lehrers dem Pfarrer, später der staatlichen Schulaufsicht. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gab es dann in Deutschland flächendeckend Volksschulen. Es entstand ein vorbildliches, weltweit kopiertes Bildungswesen. Von 1932 bis zur Einrichtung der Hauptschule Kohlscheid (‚Erich-Kästner-Schule‘) wurden die Schüler nach Bekenntnissen getrennt unterrichtet. In der katholischen Volksschule Kohlscheid-Mitte wurde für evangelische Schüler ein Klassenraum zur Verfügung gestellt, später kam ein weiterer in der Schule Vorscheid hinzu. Die Trennung ging in der Schule Vorscheid so weit, dass in den Pausen ein Kreidestrich quer über den Schulhof die konfessionellen Bereiche markierte und die Schüler von beiden Lehrern zwar gleichzeitig – dennoch getrennt – beaufsichtigt wurden.
Eine vergleichbare konsequente Aufteilung fand sich auch bei der Geschlechtertrennung: In der einklassigen Dorfschule saßen die Kinder nicht nur nach dem Schuljahrgang aufsteigend geordnet: Wie in der Kirche saßen die Mädchen links, die Jungen rechts. In mehrklassigen Schulen bevorzugte man eher jahrgangsübergreifende reine Jungen- und reine Mädchenklassen, als dass man Jahrgangsunterricht in gemischten Klassen erteilt hätte. Aufgrund der Vielzahl der Kohlscheider Schulgebäude gab es zeitweise reine Mädchen- und Jungenschulen. Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren auch die Schulhöfe räumlich getrennt. Die Mädchenoberklassen sollten nach Möglichkeit von Lehrerinnen unterrichtet werden, so wurden in Kohlscheid bereits 1863 vier Lehrerinnen eingestellt. 1861 wurde „Weibliches Handarbeiten“ als obligatorisches Schulfach eingeführt. Lehrerinnen wurden bei „Verehelichung“ aus dem Schuldienst entlassen, erst 1919 wurde das Zölibat für Lehrerinnen aufgehoben.
Die Wertschätzung von Bildung und Erziehung lässt sich nicht zuletzt ablesen an der Entwicklung der Lehrerausbildung und damit der Pädagogik ebenso wie an den Schulgebäuden und deren Ausstattung, dem Fächerkanon sowie an der Dauer der Schulpflicht.
Quellen:
- Cramer in Heimatblätter des Landkreises Aachen, Heft 4, 1. Oktober 1936
- Chronik der Schule Klinkheide
- Josef Aretz, „Spuren der Vergangenheit“, Bände 1 – 4
- Heimatverein Kohlscheid: Kohlscheider Straßenspiegel, 1988
Hedwig Ahrens