Die Siegfriedlinie: Höckerlinie und Drachenzähne
Ein Erklärungsversuch
Hitler war sich bewusst: Nachbarländer zu überfallen und „Lebensraum im Osten“ zu erobern, das musste zwangsläufig zum Eingreifen westlicher Staaten wie Frankreich und Großbritannien führen. Um dieser Bedrohung zu begegnen, ordnete Hitler den Bau des Westwalls an.
Funktionen des Westwalls
Der Westwall sollte zwei Hauptfunktionen erfüllen:
- Abschreckung: Die Feinde davon abhalten, Deutschland überhaupt von Westen her anzugreifen.
- Verteidigung: Falls ein Angriff stattfinden sollte, eine starke Verteidigungslinie parat zu haben.
Hauptsächlich 1939 wurde das gigantische Bauwerk errichtet. Der Westwall verlief von der Schweizer Grenze bis zum Niederrhein. Er bestand aus ca. 20.000 Bunkern und vorgelagerten Panzerhindernissen. Teilweise gab es mehrere Bunkerlinien, die im Bereich nördlich und südlich von Aachen den Namen Limesstellung bekamen. Nicht nur eine Bunkerlinie war also der Kernpunkt, sondern ein tiefgestaffeltes Abwehrsystem, das in unserem Heimatbereich westlich von Aachen etwa an der Landesgrenze entlang lief, aber auch östlich von Aachen eine Verteidigungslinie von der Eifel über Würselen bis in den Klinkheider Wurmtalbereich darstellte. Panzerangriffe gegen die Bunker sollten durch Betonhindernisse, Panzermauern und Panzergräben abgewehrt werden.
Relikte und Propaganda
Insbesondere die Betonhindernisse in Form der „Drachenzähne/Höckerlinie“ prägen als erkennbares Relikt des II. Weltkriegs unsere Landschaft. Die dazugehörenden Bunker wurden fast komplett gesprengt. Reste verbergen sich heutzutage noch unter Erderhebungen, die ein aufmerksamer Beobachter im Umfeld der Höckerlinie ausmachen kann. Insbesondere Panzerabwehrkanonen (Pak), Maschinengewehrstellungen, Panzergräben, Laufgräben und Beobachtungsposten bildeten zusammen mit einer mit Flak-Geschützen bestückten Luftverteidigungszone eine durchdachte Verteidigungslinie, eben den Westwall. Ganz, ganz viel Propaganda begleitete den Bau und überhöhte die Wirkung des Westwalls für die Deutschen, aber auch für mögliche Feinde.
In den Bau des Westwalls waren viele Hunderttausende Menschen eingebunden, teilweise in Form verpflichtender Arbeit durch Zwangsverpflichtete im Arbeitsdienst, teilweise durch intensiven Einsatz lokaler Bau- und Fuhrunternehmer. Hier kam es zu bemerkenswerten Vorfällen: Transportunternehmen wurden nach Kilometerleistung abgerechnet. Pfiffige kamen auf die Idee, die Lkw nachts aufzubocken und die Räder weiterlaufen zu lassen.
Der Westwall im Krieg und danach
Nach dem erfolgreichen Polen- und Frankreichfeldzug schien der Westwall überflüssig. Die schweren Waffen wurden ausgebaut und an wichtigere Örtlichkeiten, z.B. den Atlantikwall, transportiert. Bunker und Sperranlagen mit der noch vorhandenen Ausstattung verrotteten. Nach der Invasion der Alliierten in der Normandie und ihrem schnellen Vorstoß durch Frankreich erfolgte hektisch eine neue Nutzbarmachung des Westwalls. Ohne die passende Bewaffnung und ohne geeignete und geschulte militärische Bemannung war der Westwall 1944 ein „Papiertiger“.
![Die „Höckerlinie“ im Bereich von Forensberg und Klinkheide (Foto: Archiv des Heimatvereins, Herkunft unbekannt)](URL_des_Fotos)
Die Propaganda wirkte aber noch. Die Deutschen klammerten sich an die Hoffnung einer riesigen Abwehrstellung, und die Alliierten ließen sich durch den Ruf des Westwalls dazu bewegen, eine zeitlich längere Vorbereitungsphase vor der Erstürmung des Westwalls vorzusehen. Volkssturm und Hitlerjugend waren notdürftige Besatzung des Westwalls und wurden erst mit der Zeit durch zurückflutendes reguläres Militär verstärkt.
Das Erbe des Westwalls
Die Reste des Westwalls erinnern uns nicht an ein imposantes Bauwerk, sondern an Größenwahn, Zwangsarbeit, Verschwendung von Millionen Tonnen Baumaterial, unermessliches Elend der Bewohner in der Umgebung des Westwalls und vieler tausender Menschenleben, vielfach Jugendliche, denen man ihren fast sicheren Tod noch als Abenteuer oder Heldentum verkaufte.
Peter Dinninghoff